Kommentar zum Verkehrsgutachten [Update]

Liebe Nachbarn,

die BVK war so freundlich, der Öffentlichkeit auf ihrer Downloadseite das von ihnen beauftragte Verkehrsgutachten zur Verfügung zu stellen. Das Gutachten wurde von Lang + Burkhardt (Verkehrsplanung und Städtebau) angefertigt und trägt das Datum 8. Juni 2016. Ob dies auch das originale Gutachten ist, das beim ersten Bürgerworkshop auslag, wissen wir nicht.

Wir haben in den letzten Tagen das Dokument durchgesehen und die wichtigsten Punkte hier in diesem Beitrag herausgearbeitet.

Generelle Anmerkungen

Ein paar kleine Sachen zum Text sind uns aufgefallen, hier jeweils mit PDF-Seite zitiert und kommentiert. Aus PDF-Seite 3:

Als Datengrundlage liegen ausreichend aktuelle Verkehrszählungen aus den Jahren 2013 – 2015 vor.

Der Gutachter hat die Verkehrszählung(en) nicht selbst durchgeführt. Es wird auf „ausreichend aktuelle“ (nach welchen Kriterien „ausreichend“?) Verkehrszählungen verwiesen. In Anlagen 1-8 (PDF-Seite 43-51) finden wir folgende bemerkenswerte Daten:

  • Messungen nur punktuell an zwei Tagen durchgeführt:
    • Donnerstag, 14.11.2013 (!): Neurieder Straße / Autobahn / Liesl-Karlstadt-Straße („Autobahnkreisel“)
    • Dienstag, 8.4.2014 (!): Kreuzung Forst-Kasten-Allee / Tischlerstraße / Graubündener Straße
    • Dienstag, 8.4.2014 (!): Kreuzung Appenzeller Straße / Engadiner Straße / Graubündener Straße
    • Dienstag, 8.4.2014 (!): Kreuzung Neurieder Straße / Maxhofstraße / Graubündener Straße
  • Meßdaten, die auch die Grundlage für die geschätzte Verkehrszunahme bilden, über drei Jahre alt
  • Messung am Morgen durchgeführt von 06:00 bis 10:00, Spitzenlast 07:15-08:15
  • Messung am Abend durchgeführt von 15:00 bis 19:00, Spitzenlast etwa 16:00-18:00 („immer“)

Fließender Verkehr (PDF-Seite 3ff, 11f)

Im Gutachten finden sich einige Passagen zum fließenden Verkehr. Vorab, das verwendete Programm zur Simulation des Neuverkehrs 2025/2030 liegt uns natürlich nicht vor. Die Angaben können wir nicht bewerten – wer weiß, mit welchen Daten das Programm gefüttert wurde, wie es Berechnungen anstellt und ob diese Maßstäbe noch immer gelten.

Alternative Routen zur Neurieder Straße

Die Erschließungsvoraussetzungen sind grundsätzlich günstig. In der Relation Mittlerer Ring / Innenstadt besteht alternativ zur Route über den „Neurieder Kreisel“ auch die Möglichkeit, den Weg weitgehend staufrei nach Norden direkt über die Tischlerstraße zu nehmen. Auf dem Rückweg bietet sich zusätzlich die Route Fürstenrieder Straße – Forst-Kasten-Allee an (in Einbahnrichtung parallel zur A95).

Zweimal sachlich irreführend. Es kommt natürlich drauf an, wo ich hin will.

  • Möchte ich, wie die Verkehrsbefragung 2014  zeigt, hauptsächlich in den (Nord-)Osten der Stadt, so komme ich am Neurieder Kreisel und der Liesl-Karlstadt-Straße nicht vorbei.
  • In den Norden könnte ich bis Ortseingang Großhadern eventuell staufrei kommen, muß dann aber, um in die Stadt zu gelangen, auf die A96. Was das täglich für ein Drama ist, brauche ich keinem zu erzählen.
  • Möchte ich die Einbahnstraße (Rückweg) nutzen, kann ich (legal) nur über die Fürstenrieder Straße kommen. Wer von Ihnen stand dort zu Stoßzeiten noch nicht im Stau?

Unpräzise Angaben zur Appenzeller Straße

Nach heutigem Verständnis hat die Appenzeller Straße eine überbreit wirkende Fahrbahn von 8m, die der angestrebten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht entspricht. Eine abschnittsweise Verschmälerung mit Ausweichmöglichkeiten unter Berücksichtigung des Busverkehrs scheint möglich.

Meiner Meinung nach sinnfreies Gerede. Wann wirkt eine Straße „überbreit“? Welche Auswirkung soll das haben? Zum Thema Verschmälerung: siehe unten. MVG und KVR sehen das anders; das sagt der Gutachter in Folgeabsätzen aber auch.

Kurzfristige Rückstaus?!

Von diesen weisen die Kreuzungen

  • Forst-Kasten-A./Graubündener Str./Tischlerstr. (K2) (Zunahme + ca. 7%) und
  • Graubündener Str./Appenzeller Str. (K4) (Zunahme + ca. 8%)

in der Regel nur kurzzeitig etwas längere Rückstaus auf. Der moderate Mehrverkehr von unter 10% kann deshalb als noch bewältigbar angesehen werden.

Siehe unten, das können wir demnächst sehr genau prüfen. Außerdem: Was heißt denn „etwas länger“? Könnten wir eine präzise quantitative Angabe haben? Wie lang ist der Rückstau? Wann tritt er auf? Wie lange wird ein Auto dadurch verzögert? Gewürfelt hat Herr Prof. Lang ja hoffentlich nicht.

Schwarz auf Weiß: Straßen ausgelastet!

Während der Verkehrsspitzen sind auf der Achse Neurieder Straße – Liesl-Karlstadt-Straße – Herterichstraße teilweise Verkehrsüberlastungen zu verzeichnen. Die beiden Knotenpunkte an den Hauptverkehrsstraßen

  • Graubündener Str./Neurieder Str. (K5) und
  • A95 AS Fürstenried (Neurieder Kreisel – K6)

befinden sich bereits heute während der verkehrlichen Stosszeiten an der Leistungsgrenze. Die Rückstaus lösen sich aber in der Regel relativ rasch wieder auf. Die dortigen vorhabenbedingten Verkehrszunahmen in Höhe von ca. 3% gehen in den wochentagsbedingten Verkehrsschwankungen unter und sind im täglichen Verkehrsgeschehen praktisch nicht wahrnehmbar.

Teilweise Verkehrsüberlastungen: Das halte ich für eine Untertreibung. Wie lange braucht denn ein Auto zu Stoßzeiten durch die Liesl-Karlstadt-Straße? Und vor allem: Da dort der Verkehr nicht abfließt, staut es sich in die Neurieder Straße zurück und blockiert dort zwei Spuren.

Wochentagsbedingte Schwankungen: Irreführend. Immerhin kommen in den nächsten Jahren im Maxhof und in Neuried neue Gebäude dazu, die auch alle in die Neurieder Straße drücken werden. Zweitens kommen in Forstenried die Sparkassenhäuser und der Südpark hinzu, der Ratzinger-Platz ist beschlossen. Daß das auch hier auf den Stadtrand Auswirkungen hat, wurde nicht untersucht. Von „praktisch nicht wahrnehmbar“ kann keine Rede sein!

Außerdem, woher nimmt der Gutachter diese Information? Verkehrszählungen hat er nach eigener Angabe nur von zwei Tagen, viele Monate auseinander.

Unsere alternative Methodik

Bei aller Kritik sind wir natürlich größtmöglich daran interessiert, belastbare Fakten zu schaffen. Einen teuren Gutachter können wir uns nicht leisten, haben als IT-Experten aber eigene Werkzeuge: Big Data.

Ein Rechner greift alle zwei Minuten auf die Google-Verkehrsinformationen zu und generiert daraus ein einzelnes Bild. Innerhalb von vier Stunden (z.B. 6:00 – 10:00 morgens) kommen so etwa 20 Sekunden lange Videos zusammen, die den Verlauf der Verkehrsauslastung visualisieren. Das  Programm läuft jeden Tag morgens und abends, siehe hier rechts einmal ein Beispielvideo (Vollbild!).

Damit haben wir folgende Vorteile:

  • Wir bekommen zwei Videos jeden Tag statt nur eine punktuelle Messung.
  • Wir können den Verlauf der Verkehrsauslastung („Rückstau“) zumindest qualitativ sehr präzise dokumentieren.
  • Anstatt einer absoluten Anzahl an KFZ spiegeln die Videos die Verweildauer eines KFZ in einem bestimmten Straßenabschnitt wieder.
  • Wir berücksichtigen auch die umliegenden Straßen.

Natürlich läßt sich aus den Daten keine quantitative Angabe der KFZ-Anzahl ableiten, aber: die Google-Ingenieure haben sich zu ihrer Metrik (keine Farbe, grün, orange, rot, braun) natürlich Gedanken gemacht. Und, basierend auf eigener Erfahrung, ist die Schätzung der zusätzlichen Zeit bei roten und braunen Verkehrswegen eher zu niedrig.

Insbesondere jetzt im Winter erwarten wir eine drastische Zunahme des KFZ-Verkehrs und können dies auch aller Voraussicht nach belegen.

Erschließung (PDF-Seite 3)

Ein bißchen durcheinander findet sich hier alles Wesentliche zum Thema „Erschließung“.

Nahversorgung

600m Radius (Google Maps) um Fürstenried West

600m Radius (Google Maps)

Versorgseinrichtungen für den täglichen Bedarf sind in unmittelbarer Nähe vorhanden (Graubündener / Neurieder Straße). Wichtiger Einkaufsstandort ist der Gewerbepark Meglinger Straße, erreichbar über Liesl-Karlstadt-Straße – Stäblistraße. Die Landeshauptstadt München ist bestrebt, den seinerzeit angedachten „Durchstich Stäblistraße“ als Fuß- und Radwegeverbindung auszubauen. Es ist aber auch von MIV-Einkaufsverkehren zur Meglinger Straße auszugehen.

Verzeihen Sie, geschätzte Leserschaft, meinen saloppen Ausdruck. Das halte ich nämlich für Geschwätz. Ich habe noch immer keine Ahnung, ob Google und Open-Street-Map den Fehler haben oder der Gutachter falsche Kartendaten verwendete.

Update: Es stellt sich heraus, daß dem Gutachter in Anlage 12 ein Fehler beim Setzen des Mittelpunktes für den Kreis unterlaufen ist. Anstatt die Mitte des Bahnsteiges zu verwenden, hat er wohl willkürlich die Mitte des quadratischen Baumareals auf dem Schweizer Platz genommen. Mit Kreisen hat er es nicht so, siehe auch die Kreise um die Bushaltestellen, z.B. ist der um die südlichste Bushaltestelle in der Appenzeller Straße nach Norden hin geschönt…

Der Fußweg beträgt (siehe Radius hier rechts) schon in der Luftlinie großteils über 600m im geplanten Gebiet; keiner trägt seine 5kg Einkaufstasche über diese Entfernung. Von „unmittelbar“ kann also keine Rede sein.

Dann auch noch zu anzudenken, wir sollen in die Meglinger Straße (!) mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren (bei Wind, Wetter und Eis), überschreitet meiner Meinung nach die Grenze zur Unverschämtheit.

Meglinger Straße

Daß und ob der Durchstich für Rad- und Fußverkehr hergerichtet wird, steht derzeit in den Sternen. Auf eine BA-Sitzung wurde von Bürgern schon angekündigt, dagegen wegen der Lärmbelästigung zu klagen.

Und nochmal: Die BVK hatte in der Auslobung hier im Viertel den Supermarkt explizit ausgeschlossen.

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

Nächstgelegener ÖPNV-Knoten mit U- und Busbahnhof ist Fürstenried-West. Etwa die Hälfte der geplanten zusätzlichen Wohnungen im Verdichtungsbereich liegt innerhalb eines 600 m-Radius um den U-Bahnhof. Als Zubringer zur U-Bahn fungiert insbesondere die Buslinie 166, die das Planungsquartier schleifenförmig über Graubündener Straße – Forst-Kasten-Allee – Appenzeller Straße bedient. Bei einem angenommenen Haltestellenradius für Buslinien von 300m [4] wird das Planungsgebiet gut abgedeckt. Änderungs- oder Ergänzungsbedarf besteht nicht.

600m Radius (OSM)

600m Radius (OSM)

Oben rechts noch einmal der 600m-Radius um Fürstenried West. Mit der OSM („Abstandsmessung“), hier rechts, verifiziert. Unter keinen Umständen liegt die Hälfte innerhalb der 600m (laut der beiden Online-Dienste).

Auch hat der Gutachter gefolgert, daß kein Änderungsbedarf besteht. Unvollständige und irreführende Aussage, die Auslastung der U3 war überhaupt nicht thematisiert. Siehe auch diesen schönen Artikel in der SZ.

Fußgänger- und Radverkehr

Die Einschätzung im ersten Absatz teilen wir, Radverkehr ist tatsächlich gut möglich, in allen Straßen, und die Gehwege sind auch in Ordnung.

Eine Fußwegeverbindung zu den im Westen angrenzenden Wohnquartieren von Neuried fehlt.

Sachlich falsch. Siehe die detailliertere OSM-Karte, immerhin zwei Wege durch den Wall sind eingezeichnet. Und ob da der Bedarf so groß ist…

Schwerverkehr

In der Bellinzonastraße wurde kein Schwerverkehr (≥3,5t) festgestellt.

Sachlich falsch, das hatten wir schon moniert. Müllwagen, Umzugs-LKW und Gartenbau wären hier die Stichworte. Gilt auch für die Appenzeller Straße. Und daß durch die Baumaßnahmen mindestens fünf Jahre lang Schwerlastfahrzeuge durch das gesamte Viertel kreuzen werden, ignoriert der Gutachter geflissentlich.

MVG-Stellungnahme

Auch die MVG wurde im Rahmen der Voruntersuchung befragt. Hier die Stellungnahme, Hervorhebungen in den Zitaten durch uns.

…zur Verschmälerung Appenzeller Straße

In Anlage 15 auf PDF-Seite 31ff heißt es wie folgt:

[…] Die betroffenen Haltestellen sind Fahrbahnrandhaltestellen, welche noch nicht nach aktuellen Standards barrierefrei ausgebaut sind. In diesem Zusammenhang wird darum gebeten, im Verkehrsgutachten an den entsprechenden Stellen (v.a. Anlage 10) die fehlende Haltestelle „Appenzeller Straße“ zu ergänzen.

Der Gutachter hatte wohl eine Haltestelle vergessen und möchte dementsprechend die Querparker gegenüber einer Bushaltestelle anlegen… Kann ja mal passsieren.

[…] Die Busfahrten sind passgenau auf die U-Bahnfahrten abgestimmt, in den Hauptverkehrszeiten kommt es jetzt bereits zum Rückstau in der Graubündner Straße, so dass die Abbiegespur in den Busbahnhof oft nicht zeitgerecht erreicht werden kann. Durch den Mehrverkehr im Zusammenhang mit den geplanten Wohnungsbaumaßnahmen wird sich die Anfahrt des Busbahnhofs temporär noch verschlechtern.

Klingt zumindest logisch.

Auch vor diesem Hintergrund sind weitere Maßnahmen, welche die betriebliche Stabilität und Sicherheit des Busverkehrs beeinträchtigen, aus Sicht der MVG deutlich abzulehnen.

Dazu gehört hier wie auch in anderen Stadtgebieten mit Linienbusverkehr das Abmarkieren von Schräg- und Senkrechtparkern. Begründet wird dies folgendermaßen:

  • Beim Ausrangieren hat man einerseits für die ersten eineinhalb Meter Rückwärtsfahrt fast gar keine Sicht auf den fließenden Verkehr, zusätzlich muss auch noch in die Gegenfahrspur gefahren werden. Dadurch steigt das Unfallrisiko für die Fahrgäste im Bus bei einer Schnellbremsung erheblich, da sie im Gegensatz zu PKW-Insassen nicht angeschnallt sind oder sogar stehen. Selbst bei langsamer Fahrgeschwindigkeit birgt eine Schnellbremsung immer eine hohe Unfallgefahr.
  • Durch die Abmarkierung von Schräg- und Senkrechtparkern verschmälert sich die Fahrbahn auf 5,0 bis 5,5 Meter. Auf Sammelstraßen mit Buslinienverkehr wie der Appenzeller Straße ist jedoch gemäß einschlägiger Verordnungen (RaSt 06) eine Fahrbahnbreite von 6,5 Metern vorzusehen. Ein Begegnungsverkehr selbst mit Pkw wäre nur noch sehr eingeschränkt möglich, so dass mit Verzögerungen zu rechnen ist.
  • Ausweichstellen können erfahrungsgemäß nicht permanent freigehalten werden (sh. Zunahme von Kurzparken im Lieferverkehr).

Drei sehr vernünftige Argumente der MVG. Die 6,5m Mindestbreite in einschlägigen Verordnungen gefallen mir am besten. Dem schließt sich offenbar auch das KVR an:

Das KVR weist darauf hin, dass bereits vor ungefähr 10 Jahren (bei Einrichtung der T30-Zone) eine Verschmälerung der Appenzeller Straße geprüft wurde. Damals wurde die Buslinie 166 in beide Richtungen der Appenzeller Straße befahren. Das KVR gibt an, dass eine Mindestfahrbahnbreite von 6,50m erhalten bleiben muss, sodass der Begegnungsverkehr in der Appenzeller Straße sowohl zwischen Pkw/Bus sowie Bus/Schwerlastverkehr ohne Einschränkung möglich ist. Zudem schließt sich das KVR den o.g. Angaben der MVG an, dass durch das Ausrangieren ein hohes Unfallrisiko besteht.

Die MVG zieht auch ein gutes Fazit:

Der Busbetrieb in der Appenzeller Straße läuft aktuell relativ ungestört. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Optimierungen bezüglich der Verkehrsberuhigung sind laut eigener Aussage optional, da sich aus der Stellplatzanalyse keine Notwendigkeit einer Ausweitung von Besucherstellplätzen ergibt – gerade wegen der guten ÖV-Anbindung. Diese Qualität kann die MVG unter den gegebenen Bedingungen anbieten und möchte sie ja gerade auch den zukünftigen Neubewohnern zu Gute kommen lassen, daher sind die Optimierungsmaßnahmen im Straßenraum aus Sicht der MVG auf Längsparken und eine Mindestfahrbahnbreite von 6,50mentlang des kompletten Linienwegs zu beschränken.

Damit dürften die Verschmälerung der Straße und die „Begegnungsplätze“ vom Tisch sein, siehe auch unten.

…zur Erweiterung der Linie 166

Aktuell laufen Gespräche mit dem Landkreis München sowie der MVV GmbH über eine evtl. Abänderung der Linie 166, ohne dass ein konkreter Realisierungszeitraum genannt werden könnte. Dabei wäre vorgesehen, die Schleifenfahrt der Linie aufzugeben und stattdessen in beiden Richtungen die Appenzeller Straße zu befahren, mit Fahrtziel Neuried/Münchner Straße. Hierfür könnten die nach wie vor existierenden Haltestellen auf der Gegenseite der Appenzeller Straße hergerichtet werden, die bisher baulich nicht verändert wurden. Zur weiteren Planung dieser Linie werden sich die MVG jedoch im Rahmen der Bauleitplanung noch äußern können.“

Parkplätze

Wow, eine Never-Ending-Story. Es geht sowohl um die Gästeparkplätze wie auch die Tiefgaragenplätze. Lesen Sie in diesem Abschnitt, ob und was wir am Gutachten auszusetzen haben.

Tiefgaragenplätze

Verkehrsgutachten TG-PlätzeMethodisch einwandfrei war unserer Meinung nach die Untersuchung der Bestandssituation in den Tiefgaragen. Es wurden drei zwei Datenquellen korreliert:

  1. BVK-Vermietete Stellplätze in den TG Anmerkung CS: das war mein Fehler, diese Daten sind im Verkehrsgutachten nicht erwähnt. Mit „Bestandsdaten“ sind aller Voraussicht nach nur die angeblichen TG/oberirdischen Plätze gemeint.
  2. BVK-Tiefgaragenkapazität
  3. KVR-Gemeldete KFZ für unsere Adressen (gewerblich und privat)

Die BVK besitzt in ihren Anlagen (oberirdisch+TG) nach eigenen Angaben 1035 Stellplätze. Im Gutachten sind aber nur 948 aufgeführt, immerhin 87 zu wenig. Woher der Unterschied kommt, war nicht zu ermitteln.

Unabhängig davon hat der Gutachter anhand von (2) und (3) ermittelt, daß mit dem Schlüssel von 1035/1486~=0,7 schon jetzt insgesamt 217 Stellplätze fehlen. Trotzdem geht das Planungsreferat davon aus, daß im Rahmen der Verdichtung der Fehlbestand nicht ausgeglichen werden muß.

Zusammenfassend: Unser Parkplatz-Problem schwarz auf weiß, 217 Autos stehen also jetzt schon auf der Straße.

Besucherstellplätze

Das Fehlen einer Reihe von regulären Stellplätzen muß also heute schon durch Besucherparkplätze aufgefangen werden. Auch hier wurde eine externe Firma mit der Erhebung beauftragt und hat sich mit den Straßenabschnitten in unserem Viertel am 16. Juni 2015 (ein Dienstag, also unter der Woche) einmal um 11:00 und einmal um 21:00 Uhr beschäftigt.

Die Untersuchung offenbart einen methodischen Fehler: sehen Sie sich das erste Bild an. Augenscheinlich wurden die öffentlichen Parkplätze im Norden der Forst-Kasten-Allee ignoriert. Daß dort auch noch einmal eine Reihe von Autos unterkommt, wird somit unterschlagen. Denn in Appenzeller- und Bellinzonastraße sind zwei gelbe Linien eingezeichnet. Daß die Parkplatzsituation also noch schlimmer ist, taucht in dem Gutachten nicht auf.

Nehmen wir an, daß die 217 Fehlplätze von den 289 Besucherplätzen aufgefangen werden, bleiben nur noch 72 Besucherplätze für das ganze Viertel.

Bemerkenswert ist auch auf PDF-Seite 32, Planungsreferat:

ERGEBNIS: Die Optimierungsmaßnahme „Abmarkieren von Querparken“ in der Appenzeller Straße wird nicht befürwortet. Diese muss im Rahmen des Aufstellungs- und Eckdatenbeschlusses sowie in der Auslobung ausgeschlossen werden.

Wie wir wissen, ist dieser Ausschluß weder im Eckdatenbeschluß noch in der (von uns eingesehenen, anhanglosen) Auslobung erfolgt. Es wurden entgegen der Wünsche der Stadt sogar zwei solche Entwürfe prämiertEin klarer Planungsfehler.

Fazit: Damit ist der Parkplatzmangel mit bestehenden Schlüsseln nun offiziell bestätigt.

Meinungen „unserer“ Experten

Update vom 9.11.2016: Wir hatten das Gutachten natürlich auch anderen Experten gezeigt, von denen zumindest zwei anonym ihre/seine Sichten der Dinge Ansicht anbringen wollten.

Sachverständige/r Nummer 1

[…] ich habs leider nicht geschafft, das Verkehrsgutachten vor der Veröffentlichung Ihres Kommentars zu studieren. Aber ich habe Ihrer hervorragend recherchierten Analyse nichts hinzuzufügen. Alle Punkte, die Sie monieren, sehe ich genauso: veraltete Messdaten, jetzt schon sind Straßen über Maßen belastet, Kapazität ÖPNV ist nicht berücksichtigt, Einkaufsmöglichkeiten sind sehr großzügig angesetzt (da sind ja die Neurieder Großmärkte wesentlich besser zu erreichen als die Meglinger Straße!), Parkplatznot wird wissentlich verschärft, Vorgaben zum Straßenprofil Appenzeller Straße wurden in der Wettbewerbsjury nicht berücksichtigt…

Man kann sich natürlich fragen, was man von so einem Gutachten – vom Investor in Auftrag gegeben, mit vollem Rückhalt der Politik – anderes erwarten kann, als das Ergebnis „Die Planung kann zusammenfassend als verkehrsverträglich eingestuft werden.“ Aber z. B. die Aussage, dass man auf Besucherstellplätze verzichten kann, weil das Gebiet ÖPNV-mäßig so gut erschlossen ist, und gleichzeitig eine Straßenverengung mit Senkrechtparkern vorzuschlagen, die dann genau diesen ÖPNV behindert, finde ich schon gewagt.

Aus der Erfahrung kann ich nur sagen, dass die Gutachter mit ihren Verkehrsprognosen regelmäßig falsch liegen, in der Realität verhalten sich die Autofahrer anders als erwartet und die Verkehrsbelastung ist an einzelnen Stellen eine erheblich andere. Aber die Stadt muss sich bei Planungsprojekten natürlich an den einschlägigen Richtlinien und Empfehlungen orientieren, was bleibt ihr auch sonst übrig.

Sachverständige/r Nummer 2

[…] die Graubündener Straße als Hauptverkehrsader im Stadtteil mit der Anbindung tausender Einwohner hat im Zuge der ohnehin vorgenommenen Nachverdichtungen der letzten Jahre ihre Kapazitätsgrenze eigentlich erreicht.

Zu erwähnen sind hier auch die ständigen Probleme bei Begegnungsfällen von Bussen und LKW`s, da in den Parkstreifen immer mehr überbreite Fahrzeuge abgestellt werden. Diese neuen Planspiele (so würde ich das nennen) mit irgendwelchen Ausweichrouten wie z. B. über die Verbindung nach Großhadern sind unsinnig, da man so nur Umleitungen auf weitere Engpässe bzw. Straßen über der Kapazitätsgrenze schafft. Über Großhadern kommt man auf die Lindauer Autobahn, wo es stadteinwärts am Morgen bis Höhe Großhadern oder weiter einen Rückstau gibt.

Allgemein gibt es nicht nur für unseren Stadtteil natürliche Grenzen des Wachstums, die man verkehrstechnisch einfach nicht mehr kompensieren kann. Davon kann auch ein mehr oder weniger professionelles Gutachten nicht ablenken. Unser Stadt hat bundesweit die höchste Bevölkerungsdichte, man kann halt auf einer gleichbleibenden Fläche nicht immer mehr Wachstum generieren, denn das bewirkt einen gravierenden Verlust an Lebensqualität und fördert auch soziale Spannungen.

Nachtrag: Der erste Schnee…

Ein großes Glück hatten wir heute mit dem ersten Schnee; es sind nämlich keine Unfälle bei uns passiert. Auch mußte sich das Verfahren mit Google-Maps heute wetterbedingt zum ersten Mal im richtig belasteten Berufsverkehr beweisen – hier einmal zwei Bilder, die unglaublich schön zeigen, wie schlimm es tatsächlich um die Neurieder Straße bestellt ist.

Und das war erst der Anfang…

6 Kommentare vorhanden
  1. Ingrid Egerer sagt:

    Liebes Pro-Fürstenried Team,

    herzlichen Dank für die Info und vor allem für Ihren stetigen Einsatz in der Sache. Bedauerlicherweise soll das Projekt ‚Nachverdichtung‘ wohl unbedingt durchgezogen werden und offensichtlich schreckt man dabei auch nicht davor zurück, falsche Informationen zu verbreiten. Ich habe kein gutes Gefühl und es wäre natürlich schade, wenn sich der Wohnwert in Fürstenried, wie offensichtlich geplant, dramatisch verschlechtern würde durch zu viel Verkehr, zu wenige Parkplätze, zu wenig Infrastruktur …

    Aber man soll ja die Hoffnung nie aufgeben.

    Herzliche Grüße
    Ingrid Egerer

    • Andreas Art sagt:

      Hallo Frau Egerer,

      erstmal vielen Dank für das dicke Lob. Es freut uns sehr ist es doch ein echter Antrieb für uns wenn unsere Bemühungen von Euch angenommen werden. Wir sind sehr beunruhigt, wenn dieses „Gutachten“ (wenn es den Namen überhaupt verdient, den ein Gutachten sollte immer gründlich recherchiert, sachlich richtig und unparteiisch sein) Grundlage für die verkehrliche Machbarkeit der Aufstockung um 600 Wohnungen sein soll.

      Wir können nur hoffen, dass unsere Anmerkungen in der Planung durch die BVK, aber auch der der städtischen Referate Gehör finden. Somit wird hoffentlich, wie von uns auf der Bürgerversammlung im Antrag gefordert, die verkehrliche Verträglichkeit eine limitierende Größe bei der Anzahl der geplanten Wohnungen sein.

      Wir geben die Hoffnung nicht auf und bleiben weiter dran.

      Liebe Grüße
      Andreas Art

    • Liebe Frau Egerer,

      natürlich auch von mir ein herzliches Dankeschön, auch für Ihr Engagement. Wie Andreas schon gesagt hat, liegt der Ball auch bei diesem Thema jetzt wieder bei Stadt und BVK. Aber nächste Station ist natürlich die Überarbeitung der  Vorschläge.

      Wir bleiben dran 🙂

      Viele Grüße,
      Christoph Söllner

  2. Gisela Krupski-Brennstuhl sagt:

    Danke, Christoph Soellner für das gründliche Herausarbeiten der fraglichen Aussagen dieses „Gutachtens“!! Eigentlich soll ein solches Verkehrs-Gutachten doch Aussagen erstellen, die möglichst realitätsnah weit in die Zukunft gedacht sind. Davon ist bei diesem verharmlosenden Gutachten nicht viel zu erkennen. Ich kann Herrn Soellners Analysen nur unterstreichen.

    Besonders bedenklich bis haarsträubend finde ich, dass:

    • Eine „Datenbasis“ von nur 4 Messungen (1x 14.Nov 2013, 3x 8.April 2015, immerhin je 4h, früh+abends) zugrundegelegt wurde
    • eine „weitgehend staufreie“ Alternativroute (zur Innenstadt) über Großhadern beschrieben wird; das gilt zu den Stoßzeiten schon lange nicht mehr
    • bzgl. Achse Richtung Herterichstraße die berechneten Verkehrszunahmen von 3% in „wochentagsbedingten Schwankungen“ untergehen würden und somit praktisch“nicht wahrnehmbar“ wären, obwohl zuvor ganz richtig „teilweise Verkehrsüberlastungen“ „während Stoßzeiten an der Leistungsgrenze“ attestiert wird
    • uns das Einkaufen in der Meglinger Str. quasi als ausreichend beschrieben wird „Wichtiger Einkaufsstandort ist der Gewerbepark Meglinger Straße“ dort dürfte es in ein paar Jahren auch überfüllt werden (Neubaugebiete dort ) -und per Fahrrad ist das nur etwas für junge Singles
    • hinsichtlich ÖPNV mit Bus 166 und (bald überlasteter U3) „das Planungsgebiet gut abgedeckt“ ist, auch wenn  der 600m-Radius zur U3 nur für einen kleinen Teil der Neubauten gilt
  3. G.K. erwähnt werden. sagt:

    Hallo liebes Pro-Fürstenried-Team,

    erst einmal möchte ich Ihnen  für Ihr Engagement für uns alle, die wir hier wohnen,  bedanken. Ich finde Ihren Einsatz und die viele Arbeit, die Sie investieren einfach super.

    Ich selber habe kein Auto und fahre mit dem ÖPNV.  Zur angedachten Fahrbahnverengung möchte ich aus meiner Busvielfahrer-Erfahrung sagen, daß in allen drei Straßen – Graubündner-Str., Forst-Kasten-Allee, Appenzeller Str. – die Busfahrer i.d. Regel ausweichen bzw. stehenbleiben um den PKW-Gegenverkehr durchzulassen. Und zwar auch tagsüber. Ein ganz normales aneinander Vorbeifahren ist bei parkenden Autos links und rechts der Fahrbahn nicht gegeben.

    Eigentlich kann man mit einer Aussage – eine Straße wirkt breiter – nichts anfangen. Man kann sie ausmessen, dann hat man Fakten.

    Zum Thema ‚Schwerlastverkehr‘ fällt mir auf, daß nirgends die Feuerwehr (oder auch Rettungsfahrzeuge) erwähnt werden. Was ist, wenns mal brennt bzw. jemand aus den oberen Stockwerken rausgeholt werden muß (gibt es nämlich auch bei uns). Die müssen doch rangieren können.

    Das wäre es für heute.

    • Liebe/r G.K., danke für Ihre Ergänzungen. Die MVG scheint also mit ihrer Einschätzung richtig zu liegen, ebenso wie das KVR. Danke auch für den Hinweis mit der Feuerwehr. Wollen wir hoffen, daß das nicht notwendig werden wird, aber im Ernstfall ist eine Behinderung natürlich nicht hinnehmbar. Viele Grüße, Christoph Söllner

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